Erntedankfest
Heute feiern wir Erntedankfest.
So wie jedes Jahr und das meistens am 1. Sonntag im Oktober.
Und weil ich Daten mag:
(Abweichungen sind regional möglich)
2025 → 5. Oktober
2026 → 4. Oktober
2027 → 3. Oktober
2028 → 1. Oktober
2029 → 7. Oktober

Aber warum und wieso eigentlich?
Weil es im Kalender steht?
Weil die Kirche das möchte?
Nein. So einfach ist das … natürlich nicht.
Seit Menschen säen und ernten, dankten sie für die Ernte.
Und vielleicht sogar noch länger,
denn schon das Jagen, Sammeln und Überleben in der Natur
war immer auch von einem Gefühl begleitet:
Dankbarkeit. Ehrfurcht. Verbindung.
Diese Dankbarkeit war nie neutral.
Sie war immer spirituell.
🌍 Erntedank in alten Kulturen
Lange vor dem Christentum war das Erntedankprinzip
tief in verschiedenen Glaubenssystemen verwurzelt:
– Die Germanen dankten den Naturgöttern, z. B. Freyr (Fruchtbarkeit) oder Nerthus (Erde/Muttergöttin).
– Die Römer verehrten Ops und Ceres … Göttinnen der Fülle und des Getreides.
– Die Griechen feierten Feste zu Ehren von Demeter, der Göttin des Ackerbaus.
– Und in indigenen Kulturen weltweit waren es oft Ahnengeister,
Elemente oder Tiere, denen für eine gute Ernte geopfert oder gedankt wurde.
Es gab Feste, Opfer, Musik, Speisen, Tänze …
oft wild, sinnlich, verbunden mit den Zyklen der Natur.
Der Dank galt dem, was man nicht steuern konnte,
aber zutiefst brauchte: Regen, Sonne, Wachstum, Schutz.

✝️ Dann kam die Kirche – in zwei Schritten
Schon in der frühen römischen Kirche (ca. 3./4. Jahrhundert)
gab es Dankgebete für die Ernte und Segnungen der Erstlingsfrüchte.
Noch keine großen Feste, eher kleine liturgische Akzente.
Ab dem Mittelalter
– wahrscheinlich ab dem 10. Jahrhundert –
wurde das Erntedankfest zunehmend in kirchliche Formen überführt
und fest in den liturgischen Rahmen integriert.
Man könnte sagen:
Die Kirche stellte sich nicht gegen die Erntefeste, sondern sagte sinngemäß:
„Wir feiern das auch – aber ab jetzt anders.“
Die Dankadresse änderte sich:
Nicht mehr Götter oder Geister – sondern „Gott, der Schöpfer“.
Die Rituale wurden diszipliniert:
Aus wilden Festen wurde Gottesdienst mit Predigt und Altar.
Das Ganze bekam Struktur:
Ein fester Kalenderplatz, Teil des Kirchenjahres,
mit offiziellen Texten und Gesängen.
Ob man das „transformieren“ oder „vereinnahmen“ nennt, ist wohl Auslegungssache.
Historisch betrachtet war es jedenfalls klug, wirkungsvoll
und für viele Menschen emotional nachvollziehbar.

Und Heute?
Heute gibt es beides.
Mancherorts ist Erntedank ein hochrangiger Gottesdienst,
mit Erntegaben, geschmückten Altären und Psalmen.
Anderswo ist es eher ein Dorffest mit Erntewagen,
Musik und Kürbissuppe.
In manchen Gegenden ist die Frage
„Wer spricht das Danke aus?“
völlig nebensächlich.
Viel wichtiger ist,
dass es eine Ernte gab, für die man dankbar sein kann
und die Ernte geteilt werden kann:
mit Nachbarn, Tafeln, Kindergruppen oder ähnlichen Gemeinschaften.
Vielleicht ist das der eigentliche Kern:
Nicht, wem wir danken.
Sondern dass wir danken.
Und wie wir das feiern: gemeinsam, bewusst, verbunden.
Ob mit Pastor, mit Erntewagen oder barfuß auf dem Feld …
wichtig ist nur, nicht zu vergessen:
Es ist nicht selbstverständlich,
dass wir jeden Tag etwas zu essen auf dem Tisch haben.
